Neues aus der Forschung …

zur psychischen Gesundheit österreichischer Schüler*innen
Aktuelle Forschungslage in Österreich
  • Laut der HBSC-Studie 2021/22 ist die psychische Gesundheit österreichischer Schülerinnen und Schüler deutlich belastet. 31 % der Mädchen und 19 % der Burschen berichten von Unzufriedenheit mit ihrem Leben, und die psychosomatischen Beschwerden haben seit 2010 kontinuierlich zugenommen.
  • Auch die sogenannte MHAT-Studie zur psychischen Gesundheit von Jugendlichen zeigt deutlich: Fast jedes vierte Kind leidet aktuell unter einer psychischen Erkrankung – und mehr als ein Drittel war im Laufe seines bisherigen Lebens schon einmal davon betroffen. Am häufigsten treten Angststörungen, Konzentrationsprobleme und emotionale Belastungen auf. Doch nur etwa die Hälfte der betroffenen Kinder bekommt überhaupt Unterstützung.
  • Für Grundschulalter: Nach einer Studie von Reiß et al. ist der Anteil auffälliger Verhaltensweisen gestiegen – etwa von 16,9 % vor der Pandemie auf bis zu 40 % danach.
Psychische Belastung und Auffälligkeiten – Studienlage

1. HBSC-Studie (2021/22) – Österreichischer Bericht zur Gesundheit von Jugendlichen
→ gesundheit.gv.at – HBSC-Jugendstudie
2. MHAT-Studie zur psychischen Gesundheit Jugendlicher (Österreich, 2023)
→ PMC – Mental Health in Austrian Teenagers (MHAT) Study
3. Anstieg psychischer Auffälligkeiten nach der Pandemie
→ PMC – Development of mental health problems among children and adolescents during the COVID-19 pandemic

Gute Nachrichten gibt es inzwischen

US-Daten zeigen, dass sich die Situation leicht entspannt hat – der Anteil junger Menschen mit anhaltendem Gefühl von Traurigkeit oder Hoffnungslosigkeit ist gesunken (von 42 % auf 40 %).
https://www.cdc.gov/
https://www.parents.com/promising-new-data-on-youth-mental-health-crisis-8692765?utm_source=chatgpt.com

Dabei erweist sich die Schule als bedeutender Schutzraum – sie fördert nicht nur kognitive Entwicklung, sondern ist auch ein essenzieller Ort für Sicherheit, Beziehung und soziale Stabilität. Damit kann sie aktiv zur Erholung und Stärkung der psychischen Gesundheit beitragen.
Navigating the “Mental Health Crisis” in Adolescents in the Aftermath of Covid-19 Pandemic: Experience and Insights from Frontline Psychiatric Service – PMC

Neuropsychologische Perspektive

Kinder mit Auffälligkeiten zeigen häufig besondere Merkmale im Bereich der Reizverarbeitung und Selbstregulation. Speziell bei Diagnosen wie ADHS oder Autismus:

  • erhöhte Reizempfindlichkeit,
  • Schwierigkeiten bei der Impulskontrolle,
  • Verzögerungen im Regulieren von Emotionen.

Diese neurobiologischen Grundlagen bedeuten nicht das Ende von Lernmöglichkeiten, aber sie machen unterstützende Strukturen, Wiederholung und ein verlässliches Beziehungsangebot besonders notwendig.

Systemische Perspektive

Verhalten ist selten isoliert – es entsteht im Zusammenspiel von:

  • Kind und Lehrkraft
  • Familiärem Kontext und schulischem Umfeld
  • individuellen Ressourcen und Leistungsanforderungen

Verhaltensmuster spiegeln oft systemische Bedingungen wider – etwa überforderte Eltern, Leistungsdruck, fehlende institutionelle Unterstützung. Deshalb ist ein methodisch reflektierter Blick auf Rahmenbedingungen und Kooperation essenziell.

Schutzfaktoren gemäß aktueller Evidenz

Studien betonen folgende zentrale Ressourcen, die belastete Kinder nachhaltig stärken:

  • verlässliche Bezugspersonen und unterstützende Lehr Kind Beziehungen
  • eine emotional sichere, strukturierte Schulumgebung
  • gezielte Förderung sozial emotionaler Kompetenzen
  • professionelle Begleitung durch pädagogisch geschulte Fachkräfte

Programme wie Lions Quest konkretisieren diesen Ansatz durch sozial-emotionales Lernen: Sie fördern Empathie, Konfliktlösung, Selbstregulierung und stärken das Schulklima.
Lions Quest – Sozial-emotionales Lernen im Schulkontext

Gesundheitsbericht Kinder und Jugendliche (Sozialministerium Österreich)

Praxis-Relevanz

Diese Forschungsergebnisse sind nicht abstrakt – wir übernehmen sie …

  • als Leitlinie für Konsequenz und Klarheit im Verhalten,
  • als Grundlage für Beziehungsorientierung im Unterricht,
  • als Argument für stärker vernetzte Zusammenarbeit mit Eltern, Schulpsychologie und anderen Fachstellen.
Ausgewählte wissenschaftliche Studien & Reviews
  • Gutmann et al. (2019): Mental health problems of children and adolescents with and without migration background living in Vienna, Austria – ein Vergleich psychischer Beschwerden (externalisierende / internalisierende Problemfelder) zwischen österreichischen und türkischstämmigen Kindern ResearchGate.
  • Hagenauer et al. (2021): Untersuchung zu unterstützenden Lehrer , Eltern und Peers-Beziehungen und deren Einfluss auf Zugehörigkeit, Wohlbefinden sowie Fehlzeiten österreichischer Schülerinnen und Schüler SpringerLink.
  • Di Vincenzo et al. (2024): Review zu school refusal behaviour bei Kindern mit Angst-/Depressionssymptomatik oder neuro¬entwicklungsbezogenen Störungen – relevant für internalisierende Auffälligkeiten BioMed Central.
  • Movia et al. (2022): Health Impact Assessment (HIA) of a Daily Physical Activity Unit in Schools – österreichweite Studie zu Bewegungseinheiten im Schulalltag und deren Einfluss auf psychosoziale Gesundheit MDPI.
  • Meta-Analyse zu schulbasierten Präventionsprogrammen (2021): 118 RCTs mit über 45 000 Kindern (K–12), geringer aber signifikanter Effekt bei Reduktion von Angst und Depression – zeigt Wirksamkeit schulischer Interventionen ScienceDirect+1SpringerLink+1.
  • Becker et al. – ESCApreschool (2015 Protocol): adaptive Frühintervention bei ADHS-Verdacht im Vorschulalter (Deutschland/Österreich-Region) – Nutzung stufenweiser Therapieansätze zur Symptomminderung PMC.
  • Lin et al. (2025): Nicht-medikamentöse Intervention (intelligentes Monitoring körperlicher Aktivität) zur Verbesserung exekutiver Funktionen bei Kindern mit ADHS – positive Effekte auf Arbeitsgedächtnis und Motorik arXiv
  • Review: Serious Games for ADHD (2021) – Überblick zu digitalen Spielen zur Diagnostik und Behandlung von ADHS bei Kindern – Zukunftsperspektiven für schulische Unterstützung arXiv