Gesundheitsförderung

Was erhält bzw. macht uns gesund?

Wie definieren Laien Gesundheit?

Was Menschen unter Gesundheit verstehen, hängt u.a. von ihrem Alter und Geschlecht, von ihrem sozialen Status, ihrer kulturellen Herkunft und ihrem aktuellen Gesundheitszustand ab. Frauen und höher Gebildete assoziieren Gesundheit oft mit Wohlbefinden und der Erfahrung, im Gleichgewicht zu sein. Ältere Menschen und Männer verbinden mit Gesundheit häufig die Fähigkeit, Leistung zu erbringen und Rollenerwartungen nachkommen zu können.

Gesundheit aus der Perspektive von Professionen

Wie wird Gesundheit beispielweise in der Medizin, der Psychologie oder Soziologie definiert? Beispiele wären: Gesundheit als Fähigkeit, lieben und arbeiten zu können. Oder Gesundheit als geordnetes Zusammenspiel normaler Funktionsabläufe.

Besonders bekannt ist die unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg formulierte Definition der Weltgesundheitsorganisation: Gesundheit als Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur als Abwesenheit von Krankheit und Gebrechen.

Aktuell beschreiben Gesundheitswissenschaftler Gesundheit als Stadium des Gleichgewichts von Risiko- und Schutzfaktoren, das eintritt, wenn Menschen sowohl innere als auch äußere Anforderungen gut bewältigen. Gesundheit vermittelt dann Wohlbefinden und Lebensfreude.

Gesundheit und Krankheit sind in der Bevölkerung ungleich verteilt

Menschen mit weniger Bildung, weniger Einkommen und weniger Sozialprestige tragen kollektiv eine größere Last an Krankheit und Behinderung. Man spricht von einem Sozialgradienten. Dieser gilt in Bezug auf das Gesundheitsverhalten, wenn  z.B. ArbeiterInnen mehr rauchen als mittlere oder höhere Angestellte, aber auch in Bezug auf die Mortalität, wenn z.B. Sterblichkeitsraten bei leitenden Angestellten einer Bevölkerungsgruppe geringer sind als bei angelernten ArbeitnehmerInnen.

Zur Erklärung gibt es zwei Ansätze:
Armut macht krank, oder Krankheit macht arm.

Beide stimmen, aber die Determinierung von Krankheit durch Armut wirkt stärker. Armut führt zu stärkeren gesundheitlichen Belastungen bei geringeren Bewältigungsressourcen wie z.B. Erholungsmöglichkeiten und zu Unterschieden in der gesundheitlichen Versorgung. Diese Faktoren beeinflussen das Gesundheitsverhalten negativ und begründen in Kombination gesundheitliche Ungleichheit.

Was beeinflusst die Entwicklung von Gesundheit oder Krankheit?

Einflussfaktoren wirken auf mehreren Ebenen und im Zusammenspiel. Vielen ist die Einflussnahme von Verhalten und Lebensweise bewusst. Diese wiederum interagieren mit dem sozialen Kontext und den materiellen Bedingungen, in denen wir leben, sowie mit kulturellen, ökonomischen und ökologischen Rahmenbedingungen. Diese aus der Sicht einer Einzelperson unterschiedlich nahen und veränderbaren Einflüsse sind im Determinantenmodell exemplarisch dargestellt.

Das Determinantenmodell am Beispiel Ernährung:

  • Verhalten und Lebensweise: individuelles Ernährungswissen und individuelle Kriterien in Bezug auf Essensauswahl und -qualität; Ernährungsverhalten; investierte Zeit für Einkauf, Kochen und Essen; Häufigkeit und Regelmäßigkeit des Essens; persönliche Bedeutung des Essens (z.B. zur Belohnung oder Bewältigung von Stress) etc.
  • Soziales Zusammenleben: Normen, Werte, Einstellungen in Familie und Freundeskreis zu Essen und Trinken; Differenzierung von Speisen für All- und Festtag; sozialer Kontext des Essens (z.B. alleine, im Stehen); Regeln für gemeinschaftliches Kochen, Essen, Aufräumen; sozialer Zusammenhalt in Familie/Nachbarschaft (z.B. in Bezug auf Mitversorgung) etc.
  • Lebenswelten: Siedlungsnahe Einkaufs- bzw. Zustellmöglichkeiten; Zugang zu regionalen Produkten; Verpflegungsangebote in Schule/Betrieb; Pausenstruktur in Schule/Betrieb; Raumangebot zum Essen in Schule/Betrieb; Verfügbarkeit von Information und Bildungsangeboten; Grünflächen für Gärten etc.
  • Makroebene: staatliche oder EU-weite Förderstrategie in Bezug auf Lebensmittel; Hygienerichtlinien; Lebensmittelverordnungen; Lebensmittelproduktion; Qualität natürlicher Ressourcen wie Luft, Wasser, Boden; Umweltauflagen; Leitlinien für Verpflegung im öffentlichen Bereich; Unterrichtsgegenstand Kochen/Lebensmittekunde; Anteil des für die Verpflegung aufzuwendenden Einkommens etc.

Gesundheitsförderung

Das zentrale Basisdokument der Gesundheitsförderung – die 1986 von der Weltgesundheitsorganisation publizierten Ottawa Charta – definiert Gesundheitsförderung folgendermaßen:

Gesundheitsförderung zielt auf einen Prozess, allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu ermöglichen und sie damit zur Stärkung ihrer Gesundheit zu befähigen.

In der Ottawa Charta werden – analog zum später veröffentlichten Determinantenmodell (siehe oben) – vier Handlungsfelder definiert:

  • Entwicklung einer gesundheitsfördernden Gesamtpolitik
  • Schaffen gesundheitsfördernder Lebenswelten
  • Unterstützung gesundheitsbezogener Gemeinschaftsaktivitäten
  • Entwicklung persönlicher Fähigkeiten und Kompetenzen

Außerdem das Handlungsfeld zur Neuorientierung der Gesundheitsdienste.

Die Entwicklung einer gesundheitsfördernden Gesamtpolitik wird aktuell über eine politikfeldübergreifende Zusammenarbeit für mehr Gesundheit umgesetzt. Solche Health in All Policies werden z.B. in der Ziel- und Maßnahmenplanung zu den zehn Rahmengesundheitszielen für Österreich definiert. Sie folgen dem Faktum, dass die Gesundheitsentwicklung nicht alleine aus dem für die Krankenversorgung zuständigen Gesundheitsressort steuerbar ist. Relevante Koproduzenten sind z.B. das Bildungs-, Sozial- und Wirtschaftsressort.

Der Settingansatz der Gesundheitsförderung wird in Österreich am häufigsten über die Lebenswelten Betrieb, Schule, Kindergarten, Krankenhäuser und Gemeinden umgesetzt, in denen versucht wird, gemeinsam die materiellen und sozialen Lebensbedingungen zu gestalten, das soziale Zusammenleben zu stärken und individuelle Kompetenzen aufzubauen.

Charakteristisch und konstituierend für die Gesundheitsförderung sind folgende Werte: ihre salutogene Ausrichtung (was erhält Menschen gesund?) und Ressourcenorientierung (welche Faktoren erleben Menschen als stärkend/unterstützend?), die gemeinsame Gestaltung alltäglicher Lebenswelten (Settings) durch Beteiligungs-, Empowerment- und Vernetzungsprozesse, die möglichst nachhaltig und umfassend umgesetzt werden sollen. Voraussetzung dafür sind komplexe soziale Interventionen, die sowohl top down (von der jeweiligen Führung) als auch bottom up (von den BewohnerInnen, Lehrenden und Lernenden, Erwerbstätigen) mitgetragen werden.