Zu Wort

Im Gespräch mit Lisa Rosko, Kinderpsychologin und Familienberaterin: „Beziehung statt Reaktion – das ist der Schlüssel.“
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Was erleben Sie aktuell am häufigsten in Ihrer Arbeit mit Schulen?

Wir sehen eine deutliche Zunahme von Kindern mit Verhaltensbesonderheiten – oft verbunden mit Unsicherheit im Umgang. Lehrkräfte berichten von Überforderung, weil vieles nicht mehr ‚mit Hausverstand‘ oder Erfahrung allein lösbar ist.

Was verstehen Sie unter Resilienz im Schulalltag?

Für mich heißt Resilienz: Ich stehe fest im Leben, kenne meine Stärken, weiß, wo ich hingehöre – und schätze mich selbst. Das ist ein stabiler innerer Kompass, auch in turbulenten Zeiten. Ich weiß, was meine Aufgaben sind, was ich leisten kann – und auch, was nicht. Ich lasse mich nicht sofort aus der Bahn werfen, wenn ein Kind auffällig ist, ein Elterngespräch schwierig wird oder unerwartete Änderungen anstehen. Ich kenne meine Grenzen, setze klare Prioritäten und bleibe auch dann handlungsfähig, wenn es hektisch oder emotional wird. Resilienz ist in diesem Sinne mein inneres Geländer – sie gibt mir Halt und Orientierung.

Welche Belastungen erleben Lehrpersonen heute besonders stark?

Die ständige Veränderung – neue Anforderungen, neue Technologien, neue Rollenbilder. SchülerInnen sind uns oft einen Schritt voraus, vor allem digital. Das fordert uns heraus, die eigene Rolle neu zu denken: Weg von der reinen Wissensvermittlerin, hin zur Lernbegleiterin. Das ist ein tiefgreifender Wandel, besonders für jene von uns, die vor Jahrzehnten ganz anders ausgebildet wurden.

Was ist aus Ihrer Sicht besonders wichtig im Umgang mit auffälligem Verhalten?

Zuerst: innehalten. Nicht sofort reagieren – sondern erstmal schauen: Was passiert hier gerade wirklich?
Verhalten ist immer ein Versuch, ein inneres Ungleichgewicht zu regulieren. Wenn ein Kind stört, kämpft es oft um etwas – Anerkennung, Kontrolle, Nähe oder schlicht um Aufmerksamkeit.

Welche Strategien haben sich bewährt?

Eine klare Haltung mit liebevoller Konsequenz. Kinder brauchen Sicherheit – durch verlässliche Regeln, durch Wiederholung. Aber sie brauchen auch Beziehung. Wenn ich als Lehrkraft das Kind trotz seines Verhaltens sehe, dann habe ich einen Schlüssel in der Hand.

Was raten Sie Lehrer*innen, die sich ausgelaugt fühlen?

Sich bewusst zu machen: Sie müssen nicht alles allein lösen. Manchmal hilft ein Perspektivwechsel, manchmal ein Gespräch mit Kolleg*innen – und manchmal braucht es externe Unterstützung. Es ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Professionalität, sich Hilfe zu holen.

Und zum Schluss: Ihr wichtigster Impuls in einem Satz?

Statt zu fragen: ‚Was hat das Kind jetzt schon wieder gemacht?‘, fragen Sie sich: ‚Was will es mir gerade zeigen?‘ – und beginnen Sie dort.