Zu Wort

Ein Interview mit der Sozial- und Sexualpädagogin Alexandra Muth von mafalda.

Zu ihren Hauptaufgaben gehören die Umsetzung von Workshops mit Jugendlichen sowie die offene Jugendarbeit im JA.M-Mädchenzentrum in Graz.

Alexandra Muth, MA
mafalda, Arche Noah 11, 8020 Graz
0316 33 73 00 45
alexandra.muth@mafalda.at
W www.mafalda.at

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Was ist mafalda?

Alexandra Muth: Mafalda ist ein Verein zur Förderung und Unterstützung von Mädchen und jungen Frauen. Der Verein ist überparteilich und legt den Fokus darauf, sich für Mädchen einzusetzen. Wir setzen dort an, was die Mädchen wollen, es geht darum, ihre Bedürfnisse in den Blick zu nehmen.

Welche Workshops bieten Sie für Schulen an?

Wir haben in der mafalda unterschiedliche Workshopangebote. Ich arbeite mit meinen Kolleginnen im Projekt her*POWER, welches von Herbst 2024 bis Ende 2025 vom Bundeskanzleramt gefördert wird. Hier geht es um geschlechterbezogene Gewalt im sozialen Nahraum, die Prävention von verwandtschaftsbasierter Gewalt und auch Zwangsheirat. Wir setzen eine Workshop-Reihe um, wo wir in Schulen und andere Einrichtungen kommen.
Der Workshop gliedert sich in 3 Module – zu den Themen Menschenrechte, Frauenrechte, Mehrfachdiskriminierungen und der Prävention unterschiedlicher Gewaltformen. Es geht auch viel um Empowerment und Selbstermächtigung von Mädchen und jungen Frauen. Wichtig ist aber zu beachten, dass die Workshops nicht nur für Mädchen, sondern für alle Geschlechter sind.

Die 3 Module sind so konzipiert, dass wir vorab schauen, welche Themen sind in der Klasse gerade am stärksten da und wir überlegen dann, ob es mehr Sensibilisierung oder mehr Fokus auf Menschen/Frauenrechte braucht. Wir diskutieren z.B. in der Klasse, warum braucht es Menschen- bzw. Frauenrechte überhaupt oder welche unterschiedlichen Gewaltformen es eigentlich gibt. Oder es ist eher der Fokus auf Empowerment, Grenzen bzw. Bedürfnisse verbalisieren lernen.

Bei welchen Herausforderungen bzw. Themen in der Schule kann man an Ihre Workshops denken?

Grundsätzlich ist es ein Präventionsprojekt, aber es wird eher angefragt, wenn schon Gewaltvorfälle oder auch antifeministische Aussagen vorherrschen oder wenn Geschlechtergerechtigkeit ein Thema in der Klasse ist. Vor allem auch, wenn Lehrpersonen sich Sorgen machen um eine Schülerin, die eventuell zwangsverheiratet werden soll oder ein Risiko dafür besteht. Denn wir besprechen auch mit Jugendlichen, was Zwangsheirat bedeutet und die Jugendlichen lernen, wer bei Heirat welche Entscheidungen treffen darf und wer nicht.
Aber die Workshops sind auch dafür da, wenn z.B. die Burschen in der Klasse immer dominanter sind als die Mädels oder sich immer mehr Raum nehmen, dann kann es auch hilfreich sein, zu schauen, was sind die grundlegenden Menschenrechte, was sind die Frauenrechte, warum braucht es diese überhaupt oder warum braucht es Geschlechtergerechtigkeit. Die Workshops sind auch eine gute Anlaufstelle, wenn Rollenklischees und Stereotype vorherrschen, wie es in vielen Klassen der Fall ist.

Welche Themen kommen immer wieder häufig vor unter den Schüler*innen?

Also wir beginnen immer mit den Fragen: Was sind die Menschenrechte? Für wen gelten diese? Und dann kommt von den Schüler*innen meist: „Naja, für alle Menschen.“
Aber dann gehen wir unterschiedliche Diskriminierungserfahrungen durch. Dann kommt sowas wie: „Ich fühl‘ mich aber nicht gesehen mit meiner Religion.“ Ein Beispiel ist der Ramadan, wo sich manche Jugendliche nicht wertgeschätzt von ihrer Umgebung fühlen. Dann merken die Jugendlichen, dass die Menschenrechte eigentlich für alle gelten sollten, aber die praktische Umsetzung doch noch häufig fehlt.
AHA-Momente für die Schüler*innen sind auch oft die Zeitleisten, wenn wir über Frauenrechte sprechen, seit wann Frauen wählen dürfen in Österreich (1918), und zum Vergleich die Schweiz, wo das Frauenwahlrecht erst ungefähr 60 Jahre später war. Wenn wir die Jugendlichen so historisch zurückblicken lassen, dass gewisse Rechte nicht selbstverständlich sind, sind das gewisse Momente für viele, wo es zu Reflexionen kommt.
Wir haben immer wieder politische Diskussionen. Wir merken den Rechtsruck in den Klassen, wo dann die Frage kommt, „Braucht es den Feminismus überhaupt?“. Oft erzählen die Jugendlichen, was sie auf Social Media sehen und dass sich viele von ihnen Videos von rechtsextremen Politiker*innen usw. ansehen. Da sehen wir unser Projekt schon auch dahingehend zu sensibilisieren, z.B. Fake News zu identifizieren und mit den Jugendlichen kritisch zu diskutieren, was sie auf den sozialen Medien konsumieren.

Welche Erfahrungen kannst du aus deinen Workshops berichten?

Es kommt tatsächlich sehr auf die Klasse drauf an und auch auf die Schule. Manchmal fühlen sich die Schüler*innen angegriffen. Oft kommt die Frage, warum gibt es Frauenrechte, aber warum gibt es keine Männerrechte. Viele können initial nicht verstehen, warum es die Frauenrechte separat neben den Menschenrechten auch noch gibt und braucht. Aber wir arbeiten mit sehr kreativen und interaktiven Methoden und da werden die Jugendlichen auch miteingebunden.

Sexualisierte Gewalt ist ein sehr sensibles Thema. Wie wird das von Eltern angenommen, wenn Ihr mit Workshops an  Schulen kommt?

Kommt sehr drauf an, das Thema polarisiert und natürlich sind manche Eltern nicht froh, wenn solche Workshops durchgeführt werden. Da ist es wichtig, dass wir Informationen bereitstellen an die Lehrer*innen, die an die Eltern weitergegeben werden. Hier wird informiert, warum machen wir diese Workshops, bei Themen der Zwangsheirat oder Gewalt im sozialen Nahbereich. Wir hatten die Situation noch nicht, dass Eltern die Workshops verhindern wollten.

Ihr kommt ja nur sporadisch an die Schulen. Habt ihr Tipps für Lehrer*innen, wie sie sensibel die Prävention von sexualisierter Gewalt aufgreifen können?

Genau, es ist eine Form von Kurzzeit-Pädagogik, wir bauen aber weniger Beziehung zu den Schüler*innen auf, als die Lehrer*innen. Meiner Meinung nach, ist die Prävention von jeglichen Gewaltformen auf jeden Fall auch Aufgabe von Lehrer*innen. Es ist aber ein sensibles Thema, wo man sich nicht so leicht tut, sich zu nähern. Gewaltprävention kann zum Beispiel sein, wenn Lehrer*innen sich im Unterricht mit unterschiedlichen Lebensrealitäten, vielfältigen geschlechtlichen und sexuellen Lebensweisen auseinandersetzen.
Lehrer*innen können gerne auf uns zukommen, wenn sie Unterstützung zu diesen Themen brauchen. Aber so ein Workshop kann nicht jede Gewaltform verhindern oder Gewaltvorfälle verhindern, das ist nicht möglich. Wir kommen rein und haben einen kurzen Moment im Schulalltag, aber wie es wirklich längerfristig ist, das ist jedenfalls Aufgabe des/der Klassenlehrer*in.

Gibt es im her*POWER Projekt auch ein Angebot für Pädagog*innen?

Teil des her*POWER Projekts wird sein, dass wir auch Multiplikator*innen Workshops anbieten für Sozialarbeiter*innen, Pädagog*innen, Eltern, etc. Das wird im besten Fall in Form von Peer-Education stattfinden. Das bedeutet, dass Jugendliche, die in dem Projekt mitmachen, einen 2- stündigen Workshop mit uns halten für die Multiplikator*innen. Diese starten mit Herbst 2025, gerne können sich interessierte Lehrer*innen bei uns bereits melden!

Ist Ihnen noch etwas wichtig, mitzuteilen in Bezug auf das Projekt her*POWER?

Am Ende würde ich gerne noch für alle Grazer*innen über „safer spaces“ für Mädchen und junge Frauen im Mädchenzentrum JA.M informieren. Hier arbeiten wir nochmal gezielter mit einer kleineren Gruppe von Mädchen und jungen Frauen, die regelmäßig kommen, wo es die Möglichkeit gibt, tiefer und näher über eigene Lebensrealitäten und Alltagserfahrungen zu sprechen. Wir haben zwar im Jänner schon mit der Gruppe gestartet, aber ein Einstieg ist laufend möglich.