ELLA plus-News, Nr. 4

Im Zentrum der Ausgabe steht diesmal das Thema Umgang mit „auffälligen“ Kindern im Schulalltag – eine Herausforderung, die viele Pädagog*innen bewegt.
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1. Ergebnisse der Umfrage

In der letzten ELLA plus News-Ausgabe haben wir die Leser*innen gefragt „Was hilft Ihnen ganz persönlich, um in den Ferien wirklich abzuschalten?“. Die Rückmeldungen lassen sich in vier Kategorien einteilen:

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1. Urlaub und Reisen: Ein Ortswechsel hilft vielen dabei, den Alltag hinter sich zu lassen. Besonders genannt wurden:
Urlaub am Meer oder in anderen erholsamen Regionen. Verreisen und Tapetenwechsel als Möglichkeit zur Entspannung und zum Perspektivwechsel.

2. Zeit in der Natur & Bewegung: Viele Teilnehmer*innen finden Erholung in der Natur und durch körperliche Aktivität: Wandern, Spazierengehen im Wald, Tagesausflüge ins Grüne oder Yoga. Bewusst Zeit im Freien verbringen, fern von digitalen und beruflichen Reizen.

3. Distanz zur Arbeit: Bewusst Abstand vom Beruf schaffen:

  • Kein Lesen von Fachliteratur während der Ferien
  • Apps mit Arbeitsbezug werden vom Smartphone gelöscht
  • Räumliche Distanz zum Schulort wird aktiv gesucht
  • Klare Trennung von Freizeit und Vorbereitungszeit durch gezielte Zeitplanung
  • Mentale Abgrenzung: „Nicht mehr an die Arbeit/Kinder denken“ als bewusst gesetzte Grenze

4. Persönliche Erholung & Alltagsentschleunigung: Auch die Rückkehr zu einem selbstbestimmten Alltag wird als erholsam empfunden:
Ausschlafen, entspanntes Kochen/Backen, Aufräumen ohne Zeitdruck, Treffen mit Freunden und soziale Aktivitäten, in den Tag hineinleben ohne fixe Termine oder Verpflichtungen

FAZIT: Um wirklich abzuschalten, hilft eine Kombination aus äußerer Distanz (z. B. Reisen), innerer Abgrenzung (z. B. digitales Detox), körperlicher Bewegung und bewusster Entschleunigung.
Besonders wichtig ist dabei die Freiheit, den eigenen Rhythmus bestimmen zu können und den schulischen Alltag komplett loszulassen.

Die GewinnerInnen unserer Ideenwerkstatt – und damit der drei kleinen Resilienz-Pakete – wurden bereits verständigt. Vielen Dank an alle, die mitgemacht haben!

Außerdem zeigte unsere Frage zum Energiespeicher vor Schulende vs. zu Schulanfang folgende Verteilung:

Man sieht: Es gibt viel Luft nach oben, um diese Diskrepanz nicht so groß werden zu lassen. Daher schauen wir uns in diesem Newsletter ein Thema an, das von Lehrpersonen viel Energie abverlangt: Schüler*innen mit herausforderndem Verhalten. Auffälliges Verhalten ist nicht nur ein pädagogisches Thema – sondern auch ein Beziehungsthema.

Energiespeicher
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2. Worum geht es?

„Auffällige“ Kinder im Schulalltag – ein komplexes Phänomen
Sie kennen sie vermutlich: Kinder, die den Unterricht stören, laut werden, andere provozieren oder sich komplett verweigern. Andere wiederum scheinen in der Klasse kaum präsent zu sein, sind zurückgezogen, ängstlich oder sozial isoliert.
Was all diese Kinder gemeinsam haben: Sie fallen auf. Und sie fordern uns heraus – pädagogisch, emotional, organisatorisch.
Doch was bedeutet eigentlich „auffällig“?
Der Begriff ist kein fachlich klar definierter, sondern beschreibt zunächst einmal eine Abweichung vom erwarteten oder „gewohnten“ Verhalten im schulischen Kontext. Dabei ist entscheidend, wer etwas als auffällig empfindet – und warum.

Zwei Formen auffälligen Verhaltens werden in der Praxis häufig unterschieden:

  • Externalisierende Verhaltensweisen: aggressives Verhalten, Impulsivität, Wutausbrüche, Regelverstöße, Unruhe
  • Internalisierende Verhaltensweisen: Ängstlichkeit, sozialer Rückzug, depressive Verstimmung, geringe Beteiligung

Beide Verhaltensmuster können Hinweise auf tieferliegende Belastungen oder ungelöste Entwicklungsaufgaben sein. Besonders sensibel ist der Umgang mit Kindern, die eine sogenannte „Störung des Sozialverhaltens“, AD(H)S, emotionale Probleme oder traumatische Erfahrungen mitbringen – und für die der schulische Rahmen oft besonders herausfordernd ist.
Was brauchen diese Kinder – und was brauchen wir als PädagogInnen?

Eine zentrale Erkenntnis aus Forschung und Praxis lautet: „Auffällige“ Kinder sind oft Kinder mit einem überhöhten Stressniveau – sie brauchen keine Strafe, sondern mehr Verstehen. Verstehen heißt nicht „alles akzeptieren“, sondern:

  • die Funktion des Verhaltens hinterfragen (z. B. Schutz, Überforderung, Bindungsnot)
  • klar und strukturiert handeln, ohne abzuwerten
  • Bindung und Beziehung als Basis für Veränderung sehen

Gleichzeitig ist es wichtig, unsere eigenen Grenzen zu beachten: Niemand kann allein alle Herausforderungen lösen. Deshalb braucht es auch Kooperationen mit Eltern, ExpertInnen und multiprofessionellen Teams – aber ebenso den inneren Raum, mit Empathie und Reflexionsfähigkeit auf Kinder reagieren zu können, die „anders ticken“.
Im nächsten Teil werfen wir einen Blick auf aktuelle Forschungsergebnisse – und was sie uns für die schulische Praxis mitgeben.

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3. Neues aus der Forschung

Forschung zu einem Thema ist für die Praxis von Relevanz …
  • als Leitlinie für Konsequenz und Klarheit im Verhalten,
  • als Grundlage für Beziehungsorientierung im Unterricht,
  • als Argument für stärker vernetzte Zusammenarbeit mit Eltern, Schulpsychologie und anderen Fachstellen.

mehr erfahren >

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4. EinBlick in die Praxis

Diesmal mit einem Erfahrungsbericht der Volksschullehrerin Sabine Junas. Sie unterrichtet eine zweite Klasse. Im letzten Schuljahr hatte sie einen Schüler in ihrer Klasse, den viele als „verhaltensauffällig“ beschrieben hätten.

„Markus war laut, rastlos, oft aggressiv – aber auch unglaublich sensibel. Ich habe schnell gemerkt: Mit Kontrolle und Strafen komme ich nicht weit. Also habe ich versucht, ihn nicht nur zu „erziehen“, sondern zu verstehen.“

Lesen Sie hier, was ihr geholfen hat >

Planzzeit – Gärtner gießt neu gepfanzte Blume
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5. Zu Wort

Zu Wort kommt diesmal Lisa Rosko, Kinderpsychologin und Familienberaterin: „Beziehung statt Reaktion – das ist der Schlüssel.“

zum Interview >

Entspannung, Stressabbau
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6. Kennen Sie schon…

Die Forschung zeigt: Interventionen können bei Schüler:innen mit und ohne Behinderungen eher problematisches Verhalten reduzieren und angemessenes Verhalten fördern, wenn sie auf Analysen der spezifischen Vorgeschichte und Folgen basieren. (Jeong & Copeland, 2020)
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Das ABC-Modell
Eine Methode zum Verständnis von Verhalten durch die Untersuchung der Ereignisse, die einem Verhalten vorausgehen (Antecedents), das Verhalten selbst (Verhalten) und die Ereignisse, die dem Verhalten folgen (Consequences). Das ABC-Modell kann zum Sammeln und Analysieren von Verhaltensdaten verwendet werden, um festzustellen, warum ein Verhalten auftritt, und um Interventionen zur Änderung des Verhaltens auszuwählen.
Der ABC-Modell ist ein allgemeiner Rahmen, der veranschaulicht, wie Umweltfaktoren Verhaltensweisen vor und nach ihrem Auftreten beeinflussen können. Das Modell unterteilt Verhaltensereignisse in drei Komponenten:
  • Antezedens: Jede Situation, Handlung oder jedes Ereignis, das einem Verhalten vorausgeht (d. h., was vor dem Verhalten geschieht).
  • Verhalten: Eine beobachtbare und messbare Handlung.
  • Konsequenz: Jede Reaktion, Aktion oder jedes Ereignis, das auf ein Verhalten folgt (d. h. was nach dem Verhalten passiert).
Vorbedingungen und Folgen können die Wahrscheinlichkeit eines bestimmten Verhaltens erhöhen oder verringern.
Beachten Sie, dass das ABC-Modell auf alle Verhaltenstypen anwendbar ist: Verhalten, das die Lernumgebung verbessert (z. B. das Erledigen einer Aufgabe), beeinträchtigt (z. B. die Weigerung zu teilen) oder nicht beeinflusst (z. B. Haare drehen). Darüber hinaus können Vorläufer und Folgen in einer Umgebung natürlich auftreten und manipuliert werden, um das Verhalten zu ändern. Beispielsweise erfährt ein Schüler, der sich weigert, mit einem Mitschüler zu teilen, eine natürliche Folge, wenn dieser einen anderen Spielkameraden findet. Im Gegensatz dazu versucht der Lehrer, der den Schülern für die Erledigung einer Aufgabe eine Belohnung gibt, wahrscheinlich, dieses Verhalten zu fördern.
PädagogInnen können das verhaltensbasierte Lernen ihrer Schüler:innen effektiver fördern und unterrichtsförderndes Verhalten fördern, wenn sie verstehen, wie Umweltfaktoren – insbesondere Vorgeschichte und Folgen – das Verhalten beeinflussen.
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7. Praxis-Zone

Gerade wenn Kinder im Schulalltag durch schwieriges Verhalten auffallen, ist es hilfreich, auf erprobte Konzepte und Materialien zurückzugreifen.

Mini-Reflexion: „Was sehe ich – was steckt dahinter?“
Ziel: Lehrpersonen für verschiedene Ursachen auffälligen Verhaltens sensibilisieren – und den Unterschied zwischen Verhalten und Bedürfnis verdeutlichen.
Aufgabe: Was ist Ihre erste spontane Assoziation?
Eine Anleitung finden Sie hier >

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Verhalten verstehen – gezielt handeln – Funktionale Verhaltensanalyse (FBA)
Ziel: Nicht das Verhalten an sich „bekämpfen“, sondern die Funktion des Verhaltens verstehen – und daraus maßgeschneiderte Unterstützung ableiten.Kurze Anleitung:

  1. Beobachtungsbogen zur Verhaltensbeschreibung (Was, wann, wie oft, wie stark?)
  2. Analyse möglicher Auslöser und Verstärker
  3. Hypothesen zur Verhaltensfunktion (z. B. Vermeidung, Aufmerksamkeit, Überforderung)
  4. Reflexion vorhandener Ressourcen
  5. Plan für gezielte pädagogische Interventionen (z. B. Struktur, Beziehung, Belohnung)
  6. Evaluation nach einigen Wochen

Ein Muster finden Sie hier >

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8. Entspannungszone

Kleine Übungen mit großer Wirkung

Der Umgang mit auffälligem Verhalten ist oft kräftezehrend. Umso wichtiger sind kleine Pausen zwischendurch. Diesmal stellen wir Ihnen eine besonders einfache, aber wirksame Übung vor, die auch mit Kindern gut umsetzbar ist.

 

Entspannung, Stressabbau

Der STOPP-Moment
Dauer: ca. 2 Minuten, Ort: Überall möglich – im LehrerInnenzimmer, Klassenzimmer, auf dem Gang

S – Stopp: Halten Sie für einen Moment inne. Unterbrechen Sie die aktuelle Tätigkeit bewusst.
T – Tief atmen: Atmen Sie einmal tief durch – ein… aus… Wiederholen Sie das drei Mal.
O – Orientierung: Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit nach innen: Was fühle ich gerade? Was denke ich? Wo im Körper spüre ich Anspannung?
P – Perspektive: Stellen Sie sich eine Frage: „Was ist jetzt wirklich wichtig?“ oder „Was braucht das Kind – und was brauche ich gerade?“

TIPP! – Führen Sie den STOPP-Moment regelmäßig gemeinsam mit Ihrer Klasse ein – z. B. nach der Pause oder bei erhöhter Unruhe. Auch Kinder lernen dabei, sich selbst zu regulieren und ihre Aufmerksamkeit bewusst zu lenken.

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9. Save the date

GET für Interkulturelle Klassen >
Mi 5. November 2025, online

Netzwerktreffen Südoststeiermark >
Psychosoziale Gesundheit & Unterstützungsangebote
Fr 7. November 2025, ab 11.30 Uhr, Feldbach
Zielgruppe: PädagogInnen, Leitungen von Bildungseinrichtungen, SchulsozialarbeiterInnen, Eltern, interessierte Personen
Kosten: kostenlos

Netzwerktreffen steirischer Zentralraum >
Tools & Methoden zu Psychosoziale Gesundheit im Unterricht
Fr 14. November 2025, 14.00 – 17.00 Uhr, Graz
Zielgruppe: PädagogInnen, Leitungen von Bildungseinrichtungen, SchulsozialarbeiterInnen, Eltern, interessierte Personen
Kosten: kostenlos

Netzwerktreffen Südweststeiermark >
Psychosoziale Gesundheit & Unterstützungsangebote
Do 20. November 2025, ab ca. 14.00 Uhr, Lannach
Zielgruppe: PädagogInnen, Leitungen von Bildungseinrichtungen, SchulsozialarbeiterInnen, Eltern, interessierte Personen
Kosten: kostenlos

Menopause@work >
Mi 3. Dezember 2025, online

Netzwerktreffen Murau-Murtal >
Psychosoziale Gesundheit & Unterstützungsangebote
Do 23. April 2026, ca. 14.00 – 18.00 Uhr, Ort: Info folgt
Zielgruppe: PädagogInnen, Leitungen von Bildungseinrichtungen, SchulsozialarbeiterInnen, Eltern, interessierte Personen
Kosten: kostenlos

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11. Ideenwerkstatt

Im Schulalltag begegnen wir vielen Herausforderungen – aber auch vielen Lösungen, die im kleinen Rahmen entstehen: Ein Ritual, das ein Kind beruhigt. Ein Satz, der Vertrauen schafft. Oder ein Perspektivwechsel, der eine Beziehung rettet.

Welche kleine Maßnahme hat Ihnen geholfen, mit einem „auffälligen“ Kind gut in Beziehung zu bleiben?

Teilen Sie Ihre Erfahrungen und Impulse mit uns! – Ob Struktur, Humor, klare Regeln oder ein ungewöhnlicher Weg – wir sammeln Ihre Rückmeldungen für die nächste Ausgabe!

Hier > bitte Ihre Praxis-Tipps eintragen.

Einsendeschluss: Mo 15. Dezember 2025

Unter allen Einsendungen verlosen wir drei Mini-Überraschungspakete. Die Gewinner*innen werden per E-Mail informiert.

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